Immer
diese Jagdlust... Vor
unserem Hüsli im Appenzell blüht im Frühling eine
wunderschöne
Magerwiese, mit Margeriten, Hahnenfuss, wildem Salbei, Glockenblumen,
Sauerampfer, Skabiosen und noch viele andere Blumen, ich kann sie
nur nicht alle benennen. In Mundart nennen wir die
Skabiosa "Gufechüsseli" (Stecknadelkissen), und so sieht die Blume
auch
aus.
Am Rand dieser Wiese steht eine alte, von vielen Stürmen ganz zerzauste Föhre. Antonia benutzte sie oft als Kletterbaum, und verstieg sich als junges Kätzchen oft zu weit hinauf und musste allen Mut aufbringen, bis sie sich wieder herunter getraute. An einem schönen Frühlingstag rief mir Thomas aufgeregt aus dem Garten und zeigte zur Föhre hinauf: Schau, Antonia spielt dort oben wieder den Clown und balanciert gefährlich zwischen Himmel und Erde!" Aber Antonia spielte nicht den Kaspar, sie war auf Beute aus. Ihre Körperhaltung sagte alles, ihre Schwanzspitze zuckte nervös hin und her, und diese Stellung glich der einer Raubkatze. Geduckt auf ihrem Bauch robbte sie langsam auf dem immer dünner werdenden Ast vorwärts. Aber auf was lauerte sie denn dort oben? |
Zunächst
konnte ich nichts
Ungewöhnliches entdecken, nur am Ende des Astes schwang ein
dunkles
Etwas hin und her,. Aus dem Etwas ragte ein buschiges Schwänzchen
heraus - ein junges Eichhörnchen! Antonia
schob sich näher und näher. Das
Tierchen befand sich in Lebensgefahr und ohne Fluchtweg, so schien es
mir.
Es baumelte zwischen Himmel und Erde, und der Ast bog
sich immer weiter herunter, drohte sogar abzubrechen.
Antonias Augen
waren starr auf die Beute
gerichtet und ihre Zähne klapperten vor Erwartung. Hilflos stand
ich unter dem Baum, fuchtelte wild mit den Armen und schimpfte
Antonia eine Räuberin. Vergebens befahl ich ihr das
verängstigte
Eichhörnchen in Ruhe zu
lassen und herunterzukommen. Es half
nichts, Antonia folgte unbeirrt ihrem Jagdinstinkt. Auf einmal
sprang das Eichhörnchen wie ein Flughund durch die Luft und
landete in
grossem Bogen im hohen Gras unter der Föhre. Völlig
unbeschadet floh es Richtung Wald. In weiser Voraussicht stand
ich mit einem Satz am Föhrenstamm, an diesem Antonia erstaunlich
schnell
rückwärts heruntergeklettert kam, und konnte sie gerade noch
am Schwanz festhalten. So rettete ich wohl dem jungen Eichhörnchen
das Leben. Antonia musste mich
in diesem Augenblick wohl gehasst haben, aber die Liebe hat sie mir
trotzdem nicht gekündigt.
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